Abitur 1999 am Gymnasium Soltau
 
 
Schülerrede


geschrieben und vorgetragen von Kristin Schaller und Katharina Büttner

Liebe Abiturienten und Abiturientinnen, liebe Lehrerschaft und lieber Herr Wulfert, liebe Eltern und Verwandte und sehr geehrter Herr Liebe,

zu unserer Abientlassung heißen wir Sie noch einmal herzlich willkommen.

Ein wichtiger Tag, zu dem auch ein paar angemessene Worte gehören, die wegen der Fülle der Gefühle so vieles ausdrücken sollen, ausdrücken müssen. Doch um ehrlich zu sein, fällt es uns zwei Abiturientinnen ziemlich schwer, diese angemessenen Worte zu finden. Was kann man also sagen an einem so wichtigen Tag?
Altkluge Ratschläge zu verteilen, kommt uns nicht zu. Und wie könnten wir auch? Wir selbst haben sie doch immer als störend empfunden. Auch wollen wir nicht über die Lehrer im Allgemeinen oder im Besonderen richten oder berichten. Und ganz ohne Sinn sollen unsere Worte auch nicht sein, denn schließlich fungieren wir ja sozusagen als Sprachrohr unseres Abiturjahrgangs.
Lassen wir vielleicht die vergangenen Jahre einfach mal Revue passieren.

Klein und verschüchtert standen wir genau hier vor sieben Jahren, respekt- und ehrfurchtsvoll betrachteten wir damals die "großen Dreizehner", und für uns stand fest:"So groß werden wir nie!" Abitur war fast noch ein Fremdwort. Doch was am Anfang noch so neu war, wurde bald zum Alltag. Die anfängliche Orientierungslosigkeit und Unsicherheit wich mehr und mehr der Neugier und gespannten Erwartung und wurde schließlich zum Alltagstrott, geprägt von gemeinsamen erlebten und gelebten Ereignissen: den Höhen und Tiefen des Schulalltags!
Die unbändige Freude über jede Pause und unerwartete Freistunde; der stille Groll gegen den Lehrer, dessen nachmittagsfüllendes Hausaufgabenprogramm jede Freizeitaktivität unmöglich zu machen schien; der Kampf um die Berlinfahrt und die Erleichterung, als wir wirklich fahren durften; die alltäglichen Streitereien unter den Mitschülern; die Gradwanderung zwischen angebrachter Kritik und Unverschämtheit im Umgang mit dem Lehrkörper; der Zusammenprall von Schülerwille und Paragraphen; die oft als fehl am Platz empfundene Sachlichkeit; Vermeidbares und Unvermeidliches auf beiden Seiten; das Sich-Einander-Annähern von Schülern und Lehrern, besonders in der Oberstufenzeit; mutmachende Blicke und Worte; die Kurstreffen und vor allem auch die Kursfahrten; die bange Frage, ob wir unseren Abistreich realisieren können; und nicht zuletzt und besonders das Zittern um die Abiturnoten.

Und jetzt sitzen wir vor ihnen: Abiturienten und Abiturientinnen erfüllt von Stolz, Erleichterung und einfach nur Glück. Wir haben es geschafft! Wir haben durchgehalten,und im nachhinein sind die durchgestandenen Ängste und schlaflosen Nächte auf einmal nicht mehr so wichtig - langsam verblaßt alles und weicht dem Bewußtsein: es hat sich gelohnt!
Es war eine gute Zeit! Manchmal bunt und schillernd, manchmal grau - eine Zeit, in der Nähe und Vertrauen wachsen konnten doch gleichzeitig auch ein Schnellkurs in Diplomatie und Kompromißbereitschaft. Es war eine gute Zeit - und doch.... haben wir denn wirklich etwas für unser Leben gelernt?? Fühlen wir uns nach dreizehn Jahren bereit für das, was uns jetzt erwartet?
Natürlich - es ist ja gut zu wissen, was die ATP-Synthese ist, welche Aufgabe einer Litfaßsäule zukommt und das b2 = a2 + c2 ist. Aber manchmal hätten wir uns ein wenig mehr Raum für das Zwischenmenschliche gewünscht, das sich nicht immer gegen die intellektuelle Sachlichkeit durchsetzen konnte. Und auch der Praxisbezug unseres theoretischen Wissens scheint nicht immer so einfach umsetzbar zu sein wie angenommen.
Einen Augenblick lang scheint es so, als haben die Lehrer uns mit bewundernswertem pädagogischem Geschick all die Jahre in dem Glauben gelassen, wir könnten die Welt durchschauen. Das können wir natürlich nicht, doch wir alle werden einen großen Teil der Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse der letzten sieben Jahre mit uns nehmen und sie weiter in unsrem Herzen bewegen in der Hoffnung, daß die Welt um uns herum immer ein wenig durchsichtiger wird.
Übrig bleibt für den Moment die Aussicht, nicht mehr zurückkehren zu können zu dem, was im Rückblick doch eine ungeahnte Faszination birgt und noch in zehn Jahren in geselliger Runde Anlaß zu fröhlichen Geschichten geben wird. Nie wird Schule so aufregend gewesen sein, wie in den Augenblicken, in denen man nicht mehr mit dem Läuten der Schulglocke rechnen muß.
Die Eindrücke, die uns hier vor sieben Jahren empfingen, schenkten die uns vielleicht ein wenig erschreckende Illusion einer ewig andauernden Schulzeit: der Weg zum Abitur schien so unendlich lang. Und heute - heute stellen wir verblüfft aber auch erleichtert fest: Wir sind endlich angekommen - gemeinsam!

Doch die gemeinsame Vergangenheit weicht nun einer getrennten Zukunft. Herausgerissen aus der Gewohnheit und dem alten Freundeskreis befördert man uns, scheinbar bestens vorbereitet, sozusagen per Fußtritt hinaus ins tobende Leben. Die Nesthocker sollen flügge werden! Einige gehen sicherlich mit Begeisterung von alleine, andere werden sich etwas schwerer tun, das überschaubare, vertraute Umfeld zu verlassen. "Was werde ich anfangen fern von zu Hause in einer fremden Stadt?" Da kommen die neuen Anforderungen schon auf uns zu."Mama, könntest du bitte mal.." fällt dann größtenteils weg. Umdenken ist also gefragt! Doch haben wir das nicht in der Schule gelernt? Ganz entfernt war da doch auch mal von dem begriff "Flexibilität" dir Rede. Nun ja, Fremdwort hin oder her, die praktische Umsetzung ist gefragt!
Manch einer wird sich noch wundern, was es bedeutet, einen acht-Stunden-Tag zu haben. Und auf einmal war der Schulalltag doch gar nicht so streßig! Wenn die Freunde lockten, blieben Mathehausaufgaben und Vokabeln schon mal liegen. Herr Teipelke und Frau Meier werden´s schon nicht merken, dachte sich der Schüler - und hatte vermutlich recht. Soviel Freiheiten wird es im zukünftigen Beruf nicht mehr geben. Doch der Gymnasiast strebt ja bekanntlich nach höherem. Also, ab die Post an die Uni!
Hier kümmert sich allerdings kein Prof mehr um die Leistungen oder sorgt sich besonders um einen seiner Studenten. Keine Hilfestellung von pädagogischer Seite und nur ein mildes Lächeln von den älteren Semestern. Schon wieder diese Selbstständigkeit, die gefordert wird.
Aber was immer wir auch tun werden- ob Ausbildung, Studium, Zivildienst, Bund oder freiwilliges soziales Jahr- sicherlich sind es nicht nur Ängste, mit denen wir ins sogenannte Leben hinaustreten, wir werden auch neugierig und gespannt sein auf neue Menschen und Umgebungen.

An dieser Stelle möchten wir diejenigen erwähnen, die heute nicht mit uns hier sein können. Das sind zum einen die, die uns schon vor dem Abitur verlassen haben: Ingrid Dewulf, Ivonne Burkhardt und Fanny-Sue Schmidt, die alle vorzeitig, freiwillig und damit nicht zwangsläufig gegangen sind. Kordula Wulfes und Swaantje Wendt, die erst im Frühling diesen Jahres einen anderen Weg eingeschlagen haben. Und dann sind da noch die Leute, denen auf den letzten Metern etwas die Puste ausging. Und schließlich ist da Nadja Leinecker, die krankheitsbedingt heute nicht hier sein kann. Trotz ihrer Abwesenheit verbinden uns noch immer gemeinsame Erlebnisse miteinander.

Zum Schluß wollen wir uns und allen unseren Mitschülern noch etwas mit auf den Weg geben. Es soll kein altkluger Ratschlag sein. Den hatten wir von Anfang an ausgeschlossen. Es soll vielmehr ein Trostpflaster sein, eine Stütze, etwas, das uns den Abschied ein bisschen leichter machen soll.
In einem Gedicht von Hermann Hesse heißt es:

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zu Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern,
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.

Ich wünsche uns, dass wir alle diesen Zauber spüren können, auf den Wegen, die wir gehen werden. Ich wünsche uns, dass es in unserem neuen Lebensabschnitt genauso abläuft, und wie am Ende wieder sagen können: Es war eine gute Zeit!






 
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